Akademischer Börsenverein

Warum ein guter Kaufmann zukünftig programmieren kann

Am 4. Juni 2019 von Chuck Henjes

Das Thema Digitalisierung ist durch. Wer jetzt damit anfängt, hat verschlafen. Oder doch nicht?

Der Orient, das alte China, Europa, die USA, jetzt wieder China: Kulturelle und wirtschaftliche Boomzeiten durchlaufen die Regionen unserer Welt in einer scheinbar zyklischen Wellenbewegung. Glück für uns, dass wir durch eine starke Vernetzung durch die fortschreitende Globalisierung profitieren, obwohl der Boom bekanntlich zurzeit woanders stattfindet.

China ist nicht nur die Fabrik unserer Welt, sondern zählt auch zu den dynamischsten Märkten des globalen Wirtschaftsgeschehens – gerade im digitalen Bereich. In keinem anderen Markt können neue digitale Konzepte Trends auslösen, die schnell hunderte Millionen Menschen ansprechen und bewegen können. Entsprechend hoch ist der Innovationsdruck auch auf deutsche Unternehmen, die trotz des viel propagandierten Gegenteils für einen Großteil – unseres – Wohlstandes – in China – sorgen.

Volatile Märkte = digitale Herausforderungen. Längst ein strategisches Thema

Der Konsum digitaler Medien ist immer und überall Alltag geworden. Wir sind ständige Innovationen gewöhnt und sind empört, wenn diese (z.B. bei Apple) mal ein paar Jahre geringer als gewöhnlich ausfallen.

Im gleichen Atemzug steigen unsere Anforderungen an digitale Innovationen und unsere Aufmerksamkeitsspannen sinken. Wir sind ständig vernetzt und werden von den Selbstverherrlichungsbedürfnissen unserer Bekannten überschwemmt. Der Drang, sich mitzuteilen, steigt, jedes Like, jedes Bild ein kleiner Kick, bis zur Million. Jeden Tag neu, dann wieder alt – hier noch ein Snap und da eine Instastory. Hast du schon von der neuen App gehört? Wir sind eine anstrengende Zielgruppe.

In der Ruhe liegt die Kraft

Trotz vieler operativer Aufgaben sollten sich (angehende) Unternehmer strategisch überlegen, wo die ganze Reise hingeht. Aus der enormen und steigenden Marktdynamik ergeben sich immer höhere Komplexitäten für die strategischen Problemlöser unter uns. Es entstehen Anforderungen, die schon jetzt und auch in Zukunft nur mit digitaler Intelligenz gelöst werden können.

Betrachten wir folgende Abbildung (Beispiele für digitale Systeme einzelner Fachbereiche):

Einführungsgrafik – Digitale Systeme in einem Konzern

Es wird sehr schnell ersichtlich, dass ein Konzern auch immer ein Konglomerat verschiedenster Softwarelösungen ist. Neben großer Steuerungsprogramme auf Konzernebene greifen die Fachbereiche und Abteilungen selbst noch auf eine Vielzahl hochindividueller digitaler Lösungen zurück.

Dies ist aufgrund des hohen Spezialisierungs- und Expertenwissens in den Abteilungen auch notwendig. Häufig mangelt es an flexiblen, Unternehmensweiten Plattformen, die die Umsetzung der kleinen spezialisierten Programme als kompatible Apps ermöglichen.

Die Rolle der externen Situation

Auf strategischer Ebene konsolidiert man interne (z.B. Steuerungsdaten) und externe (z.B. Marktdaten) und plant so die unternehmerische Zukunft. Informationen werden nicht nur aufgrund der internen, heterogenen Programmstruktur, sondern auch der Notwendigkeit, externe Informationsdienstleister zu beauftragen zunehmend zum Engpassfaktor.

Kein Wunder also, dass große Fahrzeughersteller wie Daimler und BMW ihre CarSharing-Dienste zusammenlegen: Hier wird es primär um den Zugang zu den so wichtigen Kundendaten in Millionenhöhe gegangen sein.

Warum also Programmieren?

Es geht explizit nicht darum, den Job eines Informatikers zu übernehmen. Wir sind keine Handwerker, sondern Strategen.

Es geht vielmehr darum, das Wesen zukünftiger digitaler Steuerungs- und Strategiewerkzeuge zu verstehen und Informationsflüsse zu erkennen. Das gelingt besonders gut, wenn man weiß, wie solche Programme konstruiert sind.

Das richtige Wissen extrahieren

Wir kennen viele Möglichkeiten, wie Informationen digital wiedergegeben werden: Per Bilder, Blogeinträge, Nachrichtenfeeds und Formularabfragen. Eines haben alle gemeinsam: Sie sind durch das eigene Medium gefiltert. Irgendjemand hat irgendwann bzgl. jedem dieser Medien eine Entscheidung getroffen, wie und welche Informationen tatsächlich angezeigt werden.

Beispiel Instagram: Bild, Text, Tags, Kommentare. Höchstens im Kontext haben wir eine Wahl: Zu welchem Thema und von wem wir uns eben Bild, Text, Tags und Kommentare anschauen.

Beispiel Facebook Newsfeed: Hier haben wir sogar noch weniger Kontrolle – ein intelligentes, lernendes System bestimmt unseren Newsfeed.

Das Gleiche gilt für viele Unternehmenslösungen: Sämtliche Informationen sind irgendwie alleine durch ihre Präsentation vorgefiltert.

Und jetzt kommt noch die steigende Marktdynamik dazu

Auch interne, digitale Plattformen, die unter Umständen Jahre in der Umsetzung und Entwicklung benötigt haben, unterliegen der Marktdynamik. Die Anforderungen ändern sich ständig und immer schneller: Plattformen werden obsolet oder unterliegen Änderungsnotwendigkeiten.

Es sei denn sie sind mit leistungsfähigen Schnittstellen ausgestattet, die eben die Dynamik abbilden und vom Anwender (uns) genau so angepasst werden können, damit wir eben zu jeder Zeit die richtigen Informationen für unsere Entscheidungen extrahieren können. Dies benötigt aber das Verständnis, diese Schnittstellen anzusprechen und zu programmieren.

Außerdem muss man die offenen Dateiformate, wie z.B. JSON oder XML interpretieren oder sogar weiterverarbeiten können, was ein gewisses informationstechnisches Know-How benötigt.

JSON-Dateistruktur

Externe Anbieter bieten im Rahmen ihrer Softwarelösungen (z.B. Palantir) gerade auf strategischer Ebene immer Schnittstellen an. Diese ermöglichen es (entsprechendes Wissen vorausgesetzt) eine flexible Ausgabe genau der Informationen, die für strategische Entscheidungen (z.B. Social-Media – und weiteren Marktdaten für eine Markenportfoliostrategie) benötigt werden.

Interesse geweckt? Der Börsenverein wird sich in Zukunft mit Themen, wie BigData und DataAnalytics auch auf strategischer Ebene auseinandersetzen. Machine Learning ist die Zukunft der Organisationsentwicklung.

Vom eigenen Input für digitale Strategien des Unternehmens abgesehen, gibt es also viele Gründe, als Unternehmer programmieren zu lernen

Autor des Artikels

Chuck Henjes 1. Vorsitzender chuck.henjes[at]abv-greifswald.de Linkedin